Südkurier 14.12.2013, Ausgabe Bodeseekreis-Oberschwaben

Hagnau:

„Dorfheiligen“ zieren drei Dämonen 14.12.2013

Von Sylvia Floetemeyer

Bildhauer Peter Lenk schuf Skulptur von Pfarrer Heinrich Hansjakob. Mutmaßlicher Urenkel Heiner Renn vom „Burgunderhof“ gab Kunstwerk in Auftrag. Künstler kokettiert mit dem nicht unbedingt keuschen Lebenswandel des Geistlichen.

Heinrich Hansjakobs wuchtigen Kopf bedeckt nur ein schlichtes Priesterkäppchen. Doch das zerfurchte Gesicht krönt ein Heiligenschein. Es ist allerdings ein Halo der besonderen Art, turnen auf ihm doch drei propere Babys herum. Jedes trägt einen Hecker-Hut und meldet durch dieses Hansjakob-Markenzeichen seine Verwandtschaft zu ihm an.

So sieht ihn der Bodmaner Bildhauer Peter Lenk, der im Auftrag des Hagnauer Spitzendestillateurs Heiner Renn eine Skulptur schuf, die voraussichtlich am 1. Mai 2014 auf dem „Burgunderhof“ der Renns aufgestellt wird.

Denn der legendäre Pfarrer hatte auch Schattenseiten – unter anderem mehrere uneheliche Kinder. Eines davon war die Großmutter von Heiner Renn. Davon zumindest ist dieser überzeugt. Vor zwei Jahren ging Renn mit der Geschichte an die Öffentlichkeit. „Ich wollte nicht, dass sie wieder verloren geht, sie soll in der Welt bleiben“, begründet Renn seinen Auftrag an Lenk.

Der Bildhauer hatte für die Umsetzung freie Hand, auch wenn Renn und seiner Frau Andrea, wie sie gestehen, dabei ein wenig mulmig war. Ist Lenk doch dafür bekannt, dass er nackte Tatsachen nicht scheut. Renn gesteht: „Ich hatte schon ein bisschen Schiss, was Lenk daraus macht. Wir wollen Hansjakob ja nicht in den Dreck ziehen. Aber in Hagnau wird er immer nur als Dorfheiliger dargestellt und das ist er eben nicht.“

Heilige mit nicht ganz so strahlendem Schein sind genau Lenks Fall, der im Übrigen entspannt dementiert, er lasse immer alle Hüllen und Hemmungen fallen.

Zum einen „habe ich mehr angezogene als nackte Figuren gemacht“. Zum anderen gehe es ihm nicht darum, Hansjakob zu denunzieren. Diese komplexe Persönlichkeit als simplen Schürzenjäger darzustellen, wäre banal, sagt Lenk, der sich wie immer im Vorfeld intensiv mit seinem Sujet beschäftigte. „Das ist keine sexuelle Geschichte“, sagt Lenk über seine Skulptur. Auch wenn er sich die schalkhafte Bemerkung nicht verkneifen kann, dass Hansjakob eben nicht nur, wie ihn sein Biograf Manfred Hildenbrand nennt, ein „Rebell im Priesterrock“ war. „Er war auch ein Rebell ohne Priesterrock.“Er habe immer wieder gegen den Zölibat verstoßen, den Lenk als „eine Katastrophe“ bezeichnet – mit leibhaftigen Folgen: Drei Kinder können Hansjakob laut Hildenbrand sicher zugeordnet werden. Von einer Verwandten, mit der er zwei Söhne zeugte, wurde der Dichterpfarrer jahrelang erpresst. Die unehelichen Kinder verfolgten ihn auch, waren sicher Mitursache seiner Depressionen, die er mit Opium zu lindern suchte. Hansjakob selbst sprach mehrfach von „Nerventeufeleien“, die ihm den Schlaf raubten. Lenk wiederum ließ die Frage, wie er Hansjakob darstellen sollte, unruhig schlafen, bis er eines Nachts mit der Lösung aufwachte: „Nerventeufel!“ Das seien doch die unehelichen Kinder, die das Gewissen quälten! So beschweren sie nun als feiste Putten Hansjakobs Heiligenschein, lassen ihm darunter heiß werden, so dass er mit nacktem Oberkörper dasteht, aber eben nicht völlig entblößt. Und, ergänzt Lenk: „Die Nerventeufel haben seinen Hut der Freiheit auf“ – dämonische Djangos.Es ist wahrscheinlich, dass Hansjakob noch mehr uneheliche Kinder hatte, sagte Hildenbrand vor zwei Jahren dem SÜDKURIER – auch wenn er sich im Fall von Renns Großmutter skeptisch zeigte, da es dafür keine Beweise gebe. Die hat Renn bis heute nicht, aber er glaubt mehr denn je, dass Hansjakob sein Vorfahr ist – und Lenk bescheinigt den beiden auch eine gewisse Ähnlichkeit. Ihr Mann habe intensiv nach den Wurzeln seiner Familie gesucht, erzählt Andrea Renn in Lenks Atelier und sagt über dessen Interpretation: „Ich bin sprachlos über die Wirkung, wie gut er Hansjakob getroffen hat. Ich freue mich darauf, dass wir ihn der Nachwelt so darstellen können.“ Heiner Renn hatte mit seinem Bekenntnis vor zwei Jahren sowohl im Dorf als auch in der eigenen Verwandtschaft für Unruhe gesorgt. Dass seine Suche nun konkrete Gestalt angenommen hat, verschafft ihm sichtlich Genugtuung: „Im Dorf dachten alle: Ach, der Renn Heiner. Lassen wir den mal wirbeln und in fünf Jahren ist alles vergessen.“ Mit Blick auf Lenks Modell sagt Renn fest: „Das ist jetzt eine bleibende Geschichte.“

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