Leda und der Schwan

Horb/Neckar, Café Leda, Neckarstraße
2005

Höhe 5 m

Mit der Familiengeschichte von Leda, Tyndareos und Zeus gibt es beträchtliche Schwierigkeiten. Denn, was heute eine DNA-Analyse dingfest machen könnte, musste einst die Phantasie fixieren.

Das fängt schon mit Leda an, die vielleicht die Vergeltungsgöttin Nemesis war, die sich zuweilen als Nymphe unter dem Leda-Namen dem Menschlichen unterschob. Das geht weiter mit den Schwierigkeiten der Zeugungsnacht: Erst der Göttergatte, dann der eheliche Sparta-König. Wer hat welches Ei gestempelt? Wenn man die Überlieferungen bei Homer, Euripides („Helena“-Drama) und anderen Mythographen zusammenzieht, dann kommen als Geschwister ungesicherter Vater-, aber gesicherter Mutterschaft heraus: Die Dioskuren (der Name bedeutet ja „Gottessöhne“), Helena und Klytämnestra. Damit ist Leda die Großmutter auch der Iphigenie (dazu der Electra, Chrysothemis und des Orest).

Der Schwan hat unendlich viele Bedeutungen in den unterschiedlichen Kulturen. Ein merkwürdigerweise durchgehendes Motiv ist seine sozusagen ästhetisierte Sterblichkeit: Er singt ganz wunderbar, aber nur einmal und kurz vor dem Tod - und das als Cygnus musicus nur in nordischen Gefilden und nicht rund ums Mittelmeer. Das ist zuerst bezeugt in der Tragödie “Agamemnon“ von Aischylos, wo das Wort „Schwanengesang“ (tó kýkneion) zum ersten Male erscheint. Es wird - ausgerechnet - von Klytämnestra gesprochen, nachdem Sie Ihren Mann und seine mitgebrachter Trojerin Kassandra („sein treuer Bettgenoss, die schon die Ruderbank mit ihm gescheuert…“) ermordet hatte. Während Agamemnon fast geräuschlos im Bade erschlagen wurde, hat Kassandra mit „Schwanengesang ihre Klage erschallen lassen“. Bekanntlich hatte Apoll Kassandra mit einem Doppelfluch belastet: Erstens sie könne wahrheitsgemäß weissagen, zweitens keiner werde es glauben. Ihr „Schwanengesang“ war die eigene Todesprophetie. An der ist der Gottesfluch gescheitert, denn sie wusste, was kommt, und hat es geglaubt.

Helmut Weidhase

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