Imperia

Konstanz, Hafeneinfahrt
1993

Höhe 10 m


„Huuuure!“ „Nutte!“ „Prostituierte!“ schrie es durch die Konzilstadt, und die Fremdgänger und Betrüger unter den Honoratioren der Stadt empörten sich am lautesten.

Was war geschehen? Der sonnige 26. April 1993 hatte es an den Tag gebracht. Vollbesetzte Schiffe der Bodenseeflotte nahmen Kurs auf Konstanz, Tausende säumten das Ufer, um bei der Enthüllung einer 10 m hohen, 18 t schweren Skulptur im Hafen dabei zu sein. Gegen den erklärten Willen der Stadtratsmehrheit wurde sie, drei Tage zuvor, bei Nacht und Nebel mit einer gecharterten Friedrichshafener Fähre aufgestellt.

„Streit hat sie in die Konstanzer Familien getragen!“ jammerte ein Stadtrat.
Wer waren die Hauptverantwortlichen? Werner Häusler, Vorsitzender des Fremdenverkehrsvereins, gab den Auftrag. Prof. Dieter Bögle stellte den bundesbahneigenen Pegelturm im Hafen zur Verfügung. Baubürgermeister Ralf-Joachim Fischer stand mit Rat und Tat zur Seite und der Schweizer Konzern Migros spendierte für die Fähre 20 000 Franken, unter der Bedingung,  daß wir die Figur nicht etwa am Schweizer Ufer aufstellen.
Alle sind inzwischen rehabilitiert, denn: Imperia ist gar keine Hure, sondern eine Kurtisane. Den feinen Unterschied hat Dr. Weidhase in seinem Buch „Imperia“, erschienen im Verlag Stadler, verdeutlicht. Daß diese hochgebildete Renaissance-Dame von Raffael als Dichterin Sappho für den Vatikan gemalt wurde, war für die Bigotten besonders ärgerlich und ließ ihren Widerstand schnell erlahmen. Für den Konstanzer Fremdenverkehr hat sich nach 10 Jahren das Denkmal der Imperia als Wahrzeichen so verdient gemacht, dass es die Stadt inzwischen vom Fremdenverkehrsverein gekauft hat und nach Kräften damit wirb.

P.L.

Zurück zu Imperia im Hafen

Programm

Als Ansteuerungshilfe für die Kapitäne dreht sich hoch über dem See eine Hafenfigur - "IMPERIA", Sinnbild weiblicher Fürsorge.

Auf den Händen trägt sie mittelalterliche Honoratioren und zeigt ihnen die Stadt, die längst den Ruf einer Kulturmetropole genoß, als New York, Berlin und Stuttgart noch Fuchslöcher waren.

So bemühten sich zur Zeit des Konzils Mitte des 15ten Jahrhunderts etwa 1000 achtbare Hübschlerinnen um das Wohlbefinden der weltlichen und geistlichen Elite Europas und gründeten mit den Wirten den Fremdenverkehrsverein Konstanz.

Literaturhinweis: Honoré de Balzac, Tolldreiste Geschichten, Die schöne Imperia

  • Gebrauchsanweisung Imperia im Hafen Konstanz

Zurück zu Imperia im Hafen

Auszug aus "Dialektik des Dekolletés" von Marvin Chlada, Alibri Verlag 2006

>> Unlängst hat der Bildhauer Peter Lenk mit einer neun Meter hohen Skulptur dem christlich-abendländischen Treiben ein ironisches Denkmal gesetzt. 1993 enthüllte er, den »Bedenken« kirchlicher Würdenträger und Gemeinderatsmitgliedern zum Trotz, auf dem Pegelturm der Konstanzer Hafeneinfahrt seine Imperia. In den Händen trägt sie Kaiser Sigismund und Papst Martin V. Beide sind nackt, ihre Rücken krumm und die Haut faltig. Lenk bezeichnet sie als »Gaukler«, die sich die Insignien der Macht unrechtmäßig angeeignet haben.

Die von Balzacs Contés drôlatiques inspirierte Skulptur verweist auf das zwischen 1414 und 1418 einberufene »Konstanzer Konzil«, an dem nicht nur Geistlichkeit und Krone, sondern darüber hinaus zahlreiche »leichte Mädchen« anwesend waren, um den Herren die Zeit zu versüßen – eine in der Geschichte des Christentums, entgegen aller Rede, durchaus gängige Praxis. Das vollbusige »Triumphweib« (Helmut Weidhase) aber steht über der Heuchelei und Grausamkeit, die der abendländischen Geschichte zu Grunde liegt. Ihre Botschaft ist Lust und Frieden. Einmal mehr verkörpert Imperia das »Versprechen der Befreiung« (Herbert Marcuse) und die »Sehnsucht nach dem Anderen« (Max Horkheimer) – kurz, das gute Leben, ein Dasein jenseits hektischer Betriebsamkeit und Angst.

Wie die »eigenwillige« Kunst Lenks steht kritische Theorie gegen das, was Marcuse »Realitätsgerechtigkeit« nennt, »gegen den zufriedenen Positivismus«. Beharrlich hält sie an nackter Wahrheit fest. Dass Wahrheit in der bestehenden Ordnung keinen »realen« Ort hat, spricht weder gegen die Wahrheit noch gegen die Theorie, sondern gegen das falsche Ganze..... <<

Zurück zu Imperia im Hafen