Andrea Fischer - Flaschengeist

Da ist das Geistige, das Schlaue, Denktätige im gewitzten Blick, im wissenden Lächeln, in der kopfbetonten Üppigkeit von Haupt und Haar; da ist das Leiblich-Sinnliche, die unverhüllte Naturbelassenheit des Körperlichen, aber - ein Schelm, wer grüne Programmatik oder gar 68er Nudisten-Pathos hinzufabuliert! - auf wenigstens zweifache Weist vornehm und keusch, erstens weil die unteren Extremitäten entschlossen geschlossen sind, zweitens, weil die Figur aufrecht-vertikal, nicht liegend -horizontal dem Betrachter sich empfiehlt. Mit dem Vertikalen ist zugleich der Übergang zum dritten Themengesichtspunkt berührt, dem Herrschenden, Machtgestützten, der sich in den fäustlings geballten Händen Ausdruck verschafft. Soweit zeigt das plastische Kunstwerk eine Zusammenfassung des dreifältigen Themas. Doch es kommt etwas dazu, entscheidend dafür, dass hier nicht nur eine ministerielle Erscheinung zur effekthaschenden Illustration wird: Zur Erscheinung erzählt Peter Lenk eine sichtbare, wortlose Geschichte, so prophetisch und direkt mitteilsam, dass es eigentlich nicht der erklärenden Rede bedarf, um sie erzählerisch fassbar zu machen. Dennoch - ein Fazit, das zudem gegenüber dem reichen Bild-Impuls in die Gefahr der Vereindeutigung sich begibt: Flaschen-Begrifflichkeit, auch mit den starken Duft - und Geschmacksreizen von geistig-sinnlich-mächtig versetzt, ist wie alles hochgradig Gefilterte, Hochprozentige flüchtig - und wenn der Geist aus der Flasche flieht, kommt wieder der konkrete Mensch heraus, naturbelassen und amtsentlassen. So wird aus einem Märchen Moderne, aus einem Denkspiel ein Sinnbild, aus Phantasie Prophetie, denn diese plastische Vision entstand zu einer Zeit, als man noch glaubte, die drei Anfangsbuchstaben der B-ovinen S-pongiformen e-zephalopathie kämen im deutschen Rindern und Politikern-ABC nicht vor.

Dr. Helmut Weidhase

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